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23.11.2023 - 18:37 Uhr aktualisiert
Foto: dpa
Das BKA wertet den Befund der entsprechenden Sonderauswertung zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) als eine "Trendumkehr", die Sorge bereite. BKA-Präsident Holger Münch erklärte, die Entwicklung sei "nicht mehr mit einem Nachholeffekt nach den pandemiebedingten Rückgängen erklärbar".
Der Anstieg der Fallzahlen sei "besorgniserregend, weil wir nicht wissen, wo es hingeht". Der langfristige Abwärtstrend scheine beendet. Die erhobenen Zahlen bildeten zwar nur das erste Halbjahr ab, ließen aber einen allgemeinen Trend erkennen.
Die Behörde nennt mehrere Ursachen für die deutliche Zunahme der Gewaltkriminalität, zu der unter anderem schwere Körperverletzung, Raub und Mord zählen. Ein zentraler Faktor sei die Migration mit einer aktuell hohen Zuwanderungsrate. "Es ist davon auszugehen, dass viele Schutzsuchende mehrere Risikofaktoren aufweisen, die Gewaltkriminalität wahrscheinlicher machen", teilte das BKA mit. Dazu gehörten die Lebenssituation in Erstaufnahmeeinrichtungen sowie wirtschaftliche Unsicherheit und Gewalterfahrungen.
Besonders auffällig sind die Verdächtigenzahlen bei nichtdeutschen Kindern und Jugendlichen. In dieser Personengruppe stellten die Behörden im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 einen Anstieg der Tatverdächtigen um 37 Prozent fest. Bei Deutschen dieser Altersgruppe betrug der Anstieg zwölf Prozent.
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei nichtdeutschen und deutschen Erwachsenen. Das BKA legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass sich die Zahlen zu Nichtdeutschen relativieren, wenn man sie im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung betrachtet. Dann ist der Anstieg an Gewaltdelikten, verglichen mit deutschen Tatverdächtigen, nahezu gleich.
Viele Kommunen sind mit der Unterbringung von Geflüchteten am Limit. Trotzdem bewegt sich das Migrationsgeschehen auf hohem Niveau. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind in den ersten zehn Monaten dieses Jahres in Deutschland rund 287.000 Asylanträge gestellt worden, darunter etwa 267.000 Erstanträge. Damit stieg die Zahl der Menschen, die in Deutschland erstmalig Schutz beantragt haben, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 67,5 Prozent.
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Doch mit den hohen Zuwandererzahlen allein lässt sich der starke Anstieg der Gewaltkriminalität nicht erklären. Das BKA nennt als weiteren Faktor wirtschaftliche und soziale Belastungen. Erstmals seit Jahren werde die Inflation in der Bevölkerung als "wesentliches Problem" wahrgenommen, so die Behörde. "Dies korreliert mit der Zahl der Gewaltdelikte."
In ökonomisch schwächeren Regionen fallen demnach die Fall- und Verdächtigenzahlen höher aus. Hinzu kämen Belastungen im sozialen Bereich, erklärte das BKA weiter. "Insbesondere Kinder und Jugendliche haben mit erhöhten psychischen Belastungen als Folge der Corona-Maßnahmen zu kämpfen, was sich auch auf ihre Anfälligkeit, Straftaten zu begehen, auswirken kann."
Auch in der Aufhebung von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sieht das BKA eine Ursache für hohe Kriminalitätszahlen. Diese Maßnahmen hatten irreguläre Grenzübertritte erschwert. Zudem hatten die Menschen in Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 mehr Zeit als sonst in der heimischen Wohnung verbracht.
Dadurch habe es "weniger Tatgelegenheiten" gegeben. Das habe sich dann mit dem Wegfall der letzten coronabedingten Einschränkungen im Frühjahr 2023 geändert. Seitdem sind die Menschen wieder mehr unterwegs.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, Kriminalität könne nicht allein mit Strafrecht erfolgreich bekämpft werden. "Wenn wir das Problem an der Wurzel packen wollen", dann müsse auch auf gesellschaftspolitischen Ursachen geschaut werden.
Nach den Worten von Münch hat sich die Zahl der Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität binnen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Diese Zunahme zeige "die Zuspitzung politischer und gesellschaftlicher Spannungen - teilweise bin hin zu einer versuchten Delegitimierung des Staates und seines Gewaltmonopols".
Mögliche Treiber einer solchen Entwicklung seien die aktuell vielfältigen Unsicherheits- und Stressfaktoren, mit denen die Gesellschaft in Zeiten multipler internationaler Krisen konfrontiert werde, erläuterte Münch.
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