Politik

Einer wird nicht gewinnen (Oder was hilft uns die Spieltheorie?)

Wenn jeder versucht, schlauer zu sein als alle anderen - was passiert dann eigentlich?

Solche Fragen stellt die Spieltheorie.
Sie beschreibt Phänomene aus Politik und Wirtschaft und lässt sich sogar im Fußball anwenden. Nur Experimente mit echtem Geld kann sie nicht ersetzen.
Von Jürgen Kaube

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Fünftes Spiel: Spiele ohne Gleichgewicht
oder: Die Angst des Schützen beim Elfmeter


Nicht jedes Spiel hat ein eindeutiges Gleichgewicht. Das berühmte Knobeln (auch "Stein, Papier, Schere" genannt) kann man darum auch nicht gewinnen, wenn man immer dieselbe reine Strategie wählt, also beispielsweise immer Schere, immer Stein oder immer Papier vorweist. Hier geht es vielmehr darum, nicht ausrechenbar zu sein, eine Qualität, die in so gut wie jedem Spiel eine Rolle spielt; man denke an die Eröfnungswahl im Schach oder den Strategiewechsel beim Pokern. Die Spieltheorie hat hierfür den Begriff der "gemischten Strategie" geprägt: Der Spieler wählt sein Vorgehen nicht direkt, sondern lässt einen Wahrscheinlichkeitsmechanismus darüber entscheiden, welchen Zug er macht.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Elfmeterschießen. Der Schütze kann - vereinfacht gesprochen - nach rechts, links oder in die Mitte schießen, der Torwart sich nach links oder rechts werfen oder stehen bleiben. Auf den anderen reagieren können beide in den allermeisten Fällen nicht. Wählen beide dieselbe Seite, ist es gut für den Torwart, andernfalls freut es den Schützen.

Spieltheoretisch erwartbar wäre darum, dass alle Festlegungen dieselbe Wahrscheinlichkeit haben. Der rationale Spieler würde sich insbesondere bei Wiederholung des Spiels nie auf eine Ecke festlegen, und er würde auch kein Muster seiner Festlegungen erkennen lassen, also nicht abwechselnd für rechts oder links oder die Mitte optieren. Die optimale Strategie wäre es für beide Seiten, eine Münze zu werfen. Und tatsächlich ergab eine Auswertung von fast neunhunert Strafstößen der Fußballbundesliga zwischen 1992 und 2004 nahezu eine Gleichverteilung aller Schuss- und Fallrichtungen. Mindestens im Durchschnitt ist der Spieler also rational, was allerdings auf eine weitere Frage an die Spieltheorie und die Theorie des ökonomischen Handelns hinweist: Ist sie auch dann eine Theorie des Entscheidungsverhaltens, wenn sie nur im durchschnitt, aber nicht für jeden Spieler zutrifft?

Zum Weiterlesen
Andreas Dieckmann: "Spieltheorie, Einführung, Beispiele, Experimente", Rohwohlt Verlag, Reinbek 2009.
Ken Binmore: "Fun and Games. A Text on Game Theory", D.C. Heath, Lexington 1992.
Robert Axelrod: "Die Evolution der Kooperation", Oldenbourg, München 1987.
Christian Rieck: "Spieltheorie, Eine Einführung". Rieck, Eschborn 2008.

© infos-sachsen / letzte Änderung: - 12.01.2023 - 18:25