29. Juli 2025
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Die jüngste Studie von John Ioannidis und Kollegen, veröffentlicht im Jama Health Forum vor wenigen Tagen, wirft ein grelles Licht auf die Fehleinschätzungen der Jahre 2020-2024. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Covid-19-Impfungen zwar Leben gerettet haben - aber ihre Schätzungen sind "substantially more conservative than previous calculations", also wesentlich zurückhaltender als frühere Berechnungen.
Was bedeutet das konkret? Die anfänglichen Modellrechnungen, auf denen die aggressive "Pandemie der Ungeimpften"-Rhetorik basierte, waren maßlos übertrieben. Ioannidis' Team zeigt, dass der tatsächliche Nutzen der Impfung hauptsächlich auf ältere Menschen beschränkt waren - "eine Minderheit der globalen Bevölkerung". Für Kinder und junge Erwachsene war der Beitrag zu geretteten Leben "minimal" bis "vernachlässigbar".
Erinnern wir uns an die Forenbeiträge aus dem November 2021. Heute überflog ich ein Forum, in dem damals ein Nutzer schrieb: "Ich habe einfach nur noch eine wahnsinnige Wut auf diese ganzen Realitätsverweigerer und Ignoranten." Ein anderer forderte, Ungeimpfte sollten für Tests zahlen müssen und sprach von "Unbelehrbaren", denen man es "gebetsmühlenartig" einbläuen müsse.
Besonders erschreckend war die Forderung eines Universitätsrektors, der Studierenden nahelegte, die Universität zu verlassen, wenn sie Impfungen hinterfragten. Dies wurde im Forum sogar bejubelt: "Wenn jemand die allgemein anerkannte Wissenschaft infrage stellt, sollte derjenige sich wirklich fragen, ob die Universität der richtige Ort ist."
Dabei gab es bereits früh warnende Stimmen. Professor Günter Kampf publizierte im November 2021 in der Fachzeitschrift Lancet, dass die Behauptung von der "Pandemie der Ungeimpften" wissenschaftlich nicht haltbar sei.
Peter Doshi warnte im British Medical Journal vor den "zurechtgeschusterten" klinischen Studien von Pfizer. Selbst RKI-Chef Lothar Wieler hatte laut den veröffentlichten Protokollen bereits im Juni 2021 intern Bedenken angemeldet - war öffentlich aber nicht entsprechend in Erscheinung getreten.
Was geschah also? Diese wissenschaftlichen Einwände wurden ignoriert, ihre Vertreter als "Schwurbler" diffamiert. Die Tagesschau fragte noch 2024 Wieler, ob er sich das Ausmaß der "nicht faktenbasierten" Impfkritik hätte vorstellen können - ohne jede Selbstreflexion darüber, wer hier eigentlich nicht faktenbasiert argumentierte.
Ioannidis' Studie enthüllt noch eine weitere bittere Wahrheit:
Bereits im November 2021 räumte selbst Christian Drosten ein: "Wir haben eine Pandemie, zu der alle beitragen - auch die Geimpften." Hendrik Streeck warnte: "Es ist trügerisch zu glauben, dass ein Geimpfter sich nicht infizieren kann und das Virus nicht weitergeben kann."
Die Frage muss erlaubt sein: Wer hat hier eigentlich geschwurbelt? Diejenigen, die auf fehlende Langzeitdaten hinwiesen, differenzierte Risikoabwägungen forderten und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung verteidigten?
Oder diejenigen, die mit beinahe religiösem Eifer eine experimentelle Therapie für alle forderten, wissenschaftliche Zweifel als "Desinformation" brandmarkten und Andersdenkende aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließen wollten?
Die Nature-Studie von 2023 zeigt: In keinem anderen Land außer den USA war die Diskriminierung Ungeimpfter so ausgeprägt wie in Deutschland. Sie wurden "schlimmer diskriminiert als Zuwanderer aus dem Nahen und Mittleren Osten".
Was wir brauchen, ist eine ehrliche Aufarbeitung. Nicht um nachzutreten, sondern um zu lernen. Die nächste Pandemie wird kommen, und wir dürfen die gleichen Fehler nicht wiederholen.
Wir brauchen eine Debattenkultur, die wissenschaftliche Unsicherheit aushält, unterschiedliche Meinungen respektiert und vor allem: Die auf Fakten basiert statt auf Angst. Eine Kultur, in der ein CEO wie der von Merck, der 2020 vor übersteigerten Impfhoffnungen warnte, nicht als Außenseiter gilt, sondern als besonnene Stimme gehört wird.
Quelle: Telepolis