In diesem Monat jährt sich ein kleiner Satz von Ex-Kanzlerin Merkel, der Geschichte gemacht hat. Was hat er ausgelöst?
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Von Angela Merkel ist am hartnäckigsten ein Satz geblieben, gesprochen am 31. August 2015, als Deutschland Hunderttausende Flüchtlinge aufnahm. "Wir schaffen das", sagte sie - und wollte Mut machen. Heute, zehn Jahre später, zeigt sich: Es war ein Satz mit Sprengkraft. Politisch spaltend, ökonomisch überfordernd, moralisch überhöht. Merkels Optimismus war eine gefährliche Illusion.
Denn Deutschland hat vieles geschafft - aber nicht das, was der Satz versprach: eine geordnete, zügige und nachhaltige Integration der Menschen, die kamen, mit dem Ziel, dass sie einen Beitrag für das Funktionieren Deutschlands leisten. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: über 2,4 Millionen Asylsuchende seit 2015. Allein in den zwei Jahren 2015 und 2016 flossen mehr als 40 Milliarden Euro an Steuergeld vom Bund in die Aufnahme, und Unterbringung, in Sprachkurse und Sozialleistungen. Weitere Milliarden kommen jährlich hinzu. Die Einnahmen durch steuerzahlende integrierte ehemalige Asylsuchende kommen da längst nicht hinterher. Heute hat mehr als die Hälfte der 2015 Gekommenen eine Arbeit. Das ist ein Achtungserfolg. Doch viele stecken in prekären Jobs, die von Inflation, Konjunktur und fehlender Anerkennung von Qualifikationen bedroht sind. Die große Mehrheit verdient weniger als Einheimische, zahlt damit weniger Steuern und bleibt bedürftig. Eine ehrliche Bilanz muss sagen: Integration funktioniert - aber langsam, teuer und nicht flächendeckend.
Gleichzeitig erleben wir ein System, das beim Nein-Sagen überfordert ist: Tausende abgelehnte Asylbewerber, die aus rechtlichen, politischen oder praktischen Gründen dennoch bleiben - das ist teuer, zermürbend, integrationshemmend.
Und dann ist da das Thema Kriminalität - lange ein Tabu, jetzt offen diskutiert. Ja, die allermeisten Zuwanderer verhalten sich gesetzeskonform. Doch statistisch belegt ist: Der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger an bestimmten Delikten ist überproportional hoch. Vor allem bei Gewalt-, Messer- und Sexualdelikten zeigen Kriminalitätsstatistiken seit Jahren eine auffällige Entwicklung. Das Problem ist nicht die Herkunft, sondern eine Mischung aus fehlender Integration, keinem Gemeinsinn, Perspektivlosigkeit, mangelnder Rechtsdurchsetzung und überforderten Behörden. Sicherheit ist kein Thema des rechten Randes - sondern ein legitimes Anliegen jeder offenen Gesellschaft. Wer den Zusammenhang zwischen gescheiterter Integration und wachsender Verunsicherung ignoriert, überlässt das Feld denen, die daraus völlig zu Recht politisches Kapital schlagen.
Der größte Fehler am Satz "Wir schaffen das" war nicht, dass er falsch war. Sondern, dass er Bedingungen vorgaukelte, die nicht vorhanden waren: funktionierende Aufnahmestrukturen, ausreichend Personal, flexible Bürokratie, politische Einigkeit. Stattdessen traf ein massiver Zustrom auf überforderte Ämter, zerstrittene Landesregierungen und eine Bevölkerung, die zwischen Hilfsbereitschaft, Überforderung und Angst um die eigene Identität schwankte. Ein Jahrzehnt später kämpfen Kommunen noch immer um ausreichende Mittel und Planungssicherheit.
Natürlich war es richtig, in einer humanitären Ausnahmesituation zu helfen. Aber helfen darf nicht einhergehen mit dem Verdrängen der Wirklichkeit. Es fehlt bis heute an einem realistischen Integrationsmanagement, das Migration steuert, Rückführung durchsetzt und Erwartungen klar benennt - bei denen, die kommen, wie bei denen, die aufnehmen.
"Wir schaffen das" - das war kein fester Plan, sondern eine vage Hoffnung. Eine politische Zumutung an eine Gesellschaft, die es am Ende wie immer selbst richten und bezahlen muss. Weniger Pathos, mehr Pragmatismus ist jetzt der Weg.
Zehn Jahre nach Merkels Satz ist eine Einschränkung notwendig: "Wir schaffen das - wenn wir die Realität ernst nehmen."