Viel Cash, wenig Kontrollen Deutschland, ein Paradies für Geldwäscher Häuser, Jachten, Luxusuhren, alles in bar: Mafiabosse schwören auf die Bundesrepublik, um ihre Beute aus dem Kokainhandel zu legalisieren. Und die Behörden? Versagen. Internationale Ermittler untersuchen nun, warum. Beschlagnahmtes Geld, sichergestellter Clan-Porsche in Berlin 2018, Luxusuhren: Für Cash alles zu haben
Foto: Silas Stein / dpa; Jörg Bergmann / BILD; Arnd Wiegmann / REUTERS

Von

Tim Bartz

David Böcking

Jörg Diehl

Martin Hesse

Gunther Latsch

Anne Seith

27.08.2021, 12.00 Uhr aus DER SPIEGEL 35/2021

Wer verstehen will, warum Deutschland ein Paradies für Geldwäscher ist, kommt an Mario Lavorato nicht vorbei. Im September 2019 wurde der Gastronom aus dem schwäbischen Winnenden wegen Drogenhandels, Geldwäsche und Mitgliedschaft in der kalabrischen Mafia zu einer Haftstrafe von zehn Jahren und acht Monaten verurteilt - in Italien.

Beschlagnahmtes Geld
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In Deutschland, wo er die meisten Taten verübt hatte, galt Lavorato dagegen als erfolgreicher Unternehmer. Dabei hatten Ermittlerinnen und Ermittler in Baden-Württemberg den in der Szene "Mariuzzo" genannten Wirt bereits in den Neunzigerjahren im Visier. Lavorato stehe "im dringenden Verdacht, Organisator von Rauschgift- und Waffentransporten" der 'Ndrangheta zu sein, hielt ein Stuttgarter Staatsanwalt damals in einem Vermerk fest. Außerdem soll er zweistellige Millionensummen in Immobilien und Wertpapiere investiert und auf diese Weise Mafiageld gewaschen haben.

Doch die 'Ndrangheta-Ermittlungen gegen den Promiwirt und Duzfreund des CDU-Spitzenpolitikers und späteren EU-Kommissars Günther Oettinger liefen ins Leere. Lavorato, der zu Festen der christdemokratischen Landtagsfraktion kalabrische Spezialitäten lieferte, kam mit einer Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung davon und kokettierte mit seinem Gangsterimage.

Jahrelang konnte der Mafioso Lavorato in Deutschland ungestört Drogengeld waschen und sich als Lieblingswirt des CDU-Politikers Oettinger präsentieren. Erst 2019 wurde er in Italien zu zehn Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.
Foto: Privat

Etwa als er in einer PR-Show eines Blumengroßhändlers als "Mafia-Chefkoch" auftrat und Margeritenbüsche verkaufen half, die der Hinweis zierte, "Schutzgelder" seien "im Preis bereits enthalten".

Lavorato kaufte fleißig Restaurants und war in Stuttgart wie im nahe gelegenen Rems-Murr-Kreis eine Institution. Wenn der vermeintliche Vorzeigeitaliener zu kalabrischen Abenden lud, mal in die Alte Kelter in Fellbach, mal in die Schwabenlandhalle, sei es "für viele eine Ehre" gewesen, dabei zu sein, wie ein Ermittler Lokaljournalisten erzählte.

Dass Lavorato in Italien eine Ferienanlage mit Bungalows, Supermarkt und einer Strandbar besaß, galt seinen Gästen offenbar als Ergebnis harter Arbeit. Den mehrfach aufkommenden Verdacht, das Geld für seine Investitionen stamme aus den kriminellen Geschäften der 'Ndrangheta, wies der umtriebige Wirt stets zurück - wie vor Jahren in einem Leserbrief an den SPIEGEL: "Ich bin zu keinem Zeitpunkt Mitglied irgendeiner ›Mafia-Organisation‹ gewesen, noch habe ich Geld gewaschen."

Es sind Fälle wie der des Mario Lavorato, die das Bild vom Geldwäscheparadies Deutschland geprägt und gefestigt haben. Bereits 2010 spottete Roberto Scarpinato, Leitender Oberstaatsanwalt auf Sizilien: "Als Mafioso würde ich in Deutschland investieren." Sein kalabrischer Kollege Nicola Gratteri war sich ein Jahr später sicher: "Die Mafia wäscht in Deutschland enorme Geldsummen, die aus dem Kokainhandel stammen."

Nicola Gratteri, Oberstaatsanwalt in Kalabrien: "Die Mafia wäscht in Deutschland enorme Geldsummen, die aus dem Kokainhandel stammen."
Foto: ALBERTO PIZZOLI / AFP

Im Januar dieses Jahres legte Gratteri, der seit 30 Jahren unter Polizeischutz lebt, mit einem bitteren Satz nach. Am Rande eines großen Mafiaverfahrens in Kalabrien sagte Gratteri dem ZDF: "In Deutschland kann jemand mit Geldkoffern aufkreuzen - und niemanden interessiert es, ob der das Geld mit Kokain, menschlichen Organen oder Sklaven verdient hat."

Die Faktoren, die Deutschland zu einem komfortablen Geldwaschsalon für italienische Mafiosi, latein­amerika­nische Drogenbarone, russische Oligarchen und nahöstliche Terror­organisationen machen, sind seit Jahrzehnten bekannt und unverändert: ein intransparenter Finanzsektor, mangelhafte Aufsicht, unklare Zuständigkeiten der Behörden und eine in der Folge zwangsläufig ineffektive Strafverfolgung.

Dass es all das in einem stabilen, wohlhabenden Land gibt, in dem man - anders als Italien, Frankreich oder Spanien - noch immer jeden Betrag in beliebiger Höhe mit Bargeld bezahlen darf, kommt als eine Art Bonus obendrauf. Immobilien und Jachten, Luxusuhren und Autos - in der Bundesrepublik Deutschland ist für Cash alles zu haben.

Und auch im bargeldlosen Zahlungsverkehr sind Leuchttürme des Finanzsektors als willige Vollstrecker dunkler Gestalten auffällig geworden. Die Deutsche Bank trieb es in Sachen Geldwäsche so arg, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) 2018 einen Sonderbeauftragten bei der Bank einsetzte, der überwachen soll, ob und wie das Institut seinen Pflichten im Kampf gegen die Geldwäsche nachkommt.

Eigentlich wäre sein Mandat im September ausgelaufen, nun wird es um drei Jahre verlängert.

So viele offene Scheunentore, um schmutziges Geld in den Wirtschaftskreislauf einzuschleusen, sind nicht nur italienischen Mafiafahndern ein Dorn im Auge. Auch die Prüfer der Financial Action Task Force (FATF) sehen Deutschland als Problemfall.

Die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Paris angegliederte Arbeitsgruppe wurde 1989 von den G-7-Staaten gegründet und gilt als das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung.

Vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs (Ausriss): Zu wenig Personal für Prüfungen
Foto: Screenshot / Bericht des Bundesrechnungshofes

Mehr als 170 Staaten haben sich zur Einhaltung der FATF-Standards verpflichtet. In regelmäßigen Abständen überprüft die Arbeitsgruppe in diesen Ländern den Stand der Anti-Geldwäsche-Maßnahmen. Deutschland war 2010 an der Reihe und schrammte haarscharf an einem Platz auf der schwarzen Liste vorbei, in der jene Länder zu finden sind, die nach Einschätzung der Experten ein "Risiko für das internationale Finanzsystem" darstellen - wie Iran, Angola und Nordkorea.

Den Deutschen attestierten die Prüfer schwerwiegende "Mängel bei der Umsetzung" internationaler Vorgaben. Von 49 untersuchten Kriterien erfüllte die Bundesrepublik nur 29. Fünfmal lautete die Bewertung "mangelhaft". Vor allem der sogenannte Nicht-Finanzsektor, zu dem Immobilienmakler, Juweliere, Autohändler und Kasinobetreiber zählen, bot nach Ansicht der Prüfer ideale Bedingungen für Geldwäsche. Hinzu kam, dass selbst Rechtsanwälte und Notare in Deutschland nahezu unkontrolliert als Strohmänner dubioser Finanztransaktionen dienen konnten.

Seit September vergangenen Jahres ist Deutschland wieder Proband einer FATF-Länderprüfung. Erste Ergebnisse sollen voraussichtlich Anfang 2022 vorliegen und dürften nach Einschätzung von Fachleuten nicht viel besser ausfallen als 2010. Zwar hat die Bundesrepublik auf den desaströsen FATF-Bericht mit Gesetzen reagiert, wirklich effizienter ist der Kampf gegen Geldwäsche jedoch nicht geworden.

Wie unfassbar leicht Kriminelle auch Jahre nach der FATF-Rüge ihre Schwarzgeldmillionen hierzulande legalisieren können, zeigt der Fall eines Uhrenhändlers aus dem westfälischen Münster. Der im Libanon geborene Ali Z. wurde Ende 2018 in Paris zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er als Mitglied einer 15-köpfigen Bande Geld für lateinamerikanische Drogenkartelle gewaschen hatte.

In den Ermittlungsakten ist zu lesen, wie problemlos Z. am 8. September 2015 in einem alteingesessenen Juwelierladen in Münster für knapp 300.000 Euro Luxusarmbanduhren kaufen konnte. Er bezahlte bar, mit kleinen Scheinen, die er in Plastiktüten in den Laden geschleppt haben soll. Fragen des Juweliers nach der Herkunft des Geldes oder eine Verdachtsmeldung gab es keine.

Nicht bei diesem und auch nicht bei einem weiteren Juwelier in Münster, nicht in Neuss und auch nicht in Augsburg, wo Z. innerhalb von vier Jahren Uhren im Gesamtwert von mehr als 20 Millionen Euro kaufte und in den Libanon schaffte. Dort wurden sie legal verkauft und verhalfen Drogenbossen in Mexiko und Kolumbien zu sauberen Einnahmen.

Wie viele Juweliere oder Autohändler in Deutschland ähnliche Geschäfte abwickeln, ist schwer zu sagen. Denn die für die Überwachung der Geldwäschevorschriften zuständigen Behörden und Kammern sind unqualifiziert und unterbesetzt, wie der Bundesrechnungshof in einem vertraulichen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags festgestellt hat. "Die im Geldwäschegesetz vorgesehenen Bußgeldsanktionen sind wegen fehlender Kontrollen der Aufsichtsbehörden weitgehend wirkungslos."

Der als Verschlusssache eingestufte Report datiert vom 16. Dezember 2020 und beschreibt, wie es auf dem Titelblatt diplomatisch heißt, "Defizite bei der Geldwäschebekämpfung im Nicht-Finanzsektor". Im Kapitel "Würdigung und Empfehlungen" schreiben die Prüfer dann schonungslos Klartext: "Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes gibt es keine wirksame Geldwäscheaufsicht."

Zuständig für die Überwachung der "Verpflichteten" im Nicht-Finanzsektor - also all jener Juweliere, Autohändler und Notare, die laut Gesetz Verdächtiges in puncto Geldwäsche melden müssten - sind die Länder. Genauer gesagt: Dutzende unterschiedliche Behörden und Kammern in 16 Bundesländern, bis hinunter in Regierungsbezirke, Landkreise und Kommunalverwaltungen.

2019 arbeiteten, wie der Rechnungshof ermittelt hat, in all diesen Dienststellen bundesweit nur 216 Vollzeitkräfte, die gut 3000 Vor-Ort-Kontrollen durchführten. Die Bilanz: 66 Bußgeldbescheide über insgesamt 168.500 Euro. Ein Witz angesichts eines jährlichen Geldwäschevolumens in Deutschland, das selbst die Bundesregierung im Nicht-Finanzsektor auf 30 Milliarden Euro taxiert.

Für die mehr als eine Million Firmen, die verdächtige Bargeschäfte eigentlich melden müssten, liege die "jährliche Kontrollquote deutlich unter 0,5 Prozent", so der Rechnungshof. Juweliere, Autohändler oder Immobilienmakler müssten deshalb "nur alle 200 Jahre mit einer Vor-Ort-Prüfung rechnen".

Im Bundesfinanzministerium seien die "massiven Defizite", so der Rechnungshof-Bericht, seit Jahren bekannt. Ernsthafte Versuche, sie zu beheben, haben die Prüfer offenbar nicht gefunden, wohlfeiles Geschwurbel hingegen gab es zuhauf. So hätten die Länder "auf Bitte" Berlins und "zur Vorbereitung der anstehenden FATF-Prüfung sogenannte koordinierende Stellen" eingerichtet. Was genau diese Stellen koordinieren, ist unklar. Im Juli 2020, heißt es in dem Bericht, habe das Bundesfinanzministerium den Ländern "die Verbesserung der gemeinsamen strategischen Ausrichtung und Risikoorientierung, die Koordinierung von Bund und Ländern sowie die Vereinfachung der Kommunikationswege auf ministerieller Ebene" vorgeschlagen. Und dann? Schwer zu sagen.

Gegen eine der wirkungsvollsten Anti-Geldwäsche-Maßnahmen sperren sich die Verantwortlichen seit Jahren vehement. Deshalb empfahlen die Rechnungshof-Experten sie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) noch einmal ausdrücklich. Eine gesetzliche Obergrenze für Bargeldgeschäfte einzuführen könnte - so die Prüfer - "ein wichtiger Baustein sein, um Geldwäscheaktivitäten zu verringern".

Doch Scholz' Haus blockt. In einer Stellungnahme heißt es, "aufgrund der in Deutschland besonders ausgeprägten Nutzung von Bargeld" müsse der Gesetzgeber in dieser Frage "eine besondere Abwägung" vornehmen. Man sehe es als "unabdingbar" an, zu den "Auswirkungen einer Bargeldhöchstgrenze genauere empirische Erkenntnisse zu gewinnen".

Daran hat auch die von der EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness im Juli angekündigte Gesetzesinitiative nichts geändert, die unter anderem den Aufbau einer europäischen Geldwäschebehörde vorsieht. Überdies sollen Bargeldgeschäfte begrenzt werden: "Wir reden über eine Obergrenze von 10.000 Euro. So viel Geld in den Taschen herumzutragen ist ganz schön schwer", so McGuinness. Beim Aufbau einer europäischen Geldwäschebehörde will Deutschland helfen. Doch den Vorschlag einer Bargeldobergrenze lehnt die Regierung ab.

Mairead McGuinness, EU-Finanzmarktkommissarin: "10.000 Euro - so viel Geld in den Taschen herumzutragen ist ganz schön schwer."
Foto: Hans Lucas / imago images/

Wie hartleibig Scholz' Ministerialbürokratie in ihrer verfehlten Geldwäschepolitik ist, erfuhr auch Kai Bussmann. Der Kriminologieprofessor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat für das Bundesfinanzministerium (BMF) bereits häufiger Gutachten zum Thema Geldwäsche verfasst. Das Ergebnis seiner letzten Studie gefiel seinem Auftraggeber allem Anschein nach nicht.

Bussmann wertete für das BMF 669 zwischen 2014 und 2016 rechtskräftig abgeschlossene Geldwäscheverfahren aus. Die Studie war Teil einer Nationalen Risikoanalyse, zu der die Bundesrepublik laut FATF verpflichtet ist. Auch das Justizministerium war mit von der Partie.

Doch viele von Bussmanns Ergebnissen waren den Ministerien offenbar nicht genehm. "Unerwünscht war jegliche Hochrechnung zur strafrechtlichen Verwertung von Verdachtsmeldungen, dem ermittelten Volumen der Geldwäsche oder eine Risikoanalyse mit kriminalpolitischen Vorschlägen", so Bussmann.

Prüfbericht des Bundesrechnungshofs (Ausriss): Bargeldgeschäfte begrenzen
Foto: Screenshot / Bericht des Bundesrechnungshofes

Gestört haben dürfte die Beamten im Finanz- und im Justizressort insbesondere das ernüchternde Fazit des Fachmanns zum mageren praktischen Wert von Verdachtsmeldungen: Nur in 562 von 99.000 Fällen führten die nämlich zu einem erfolgreichen Strafverfahren - eine Quote von 0,6 Prozent. Meist sei der Informationsgehalt viel zu lückenhaft gewesen, sodass die Behörden kein Verfahren hätten eröffnen können.

Daran wird auch die im März in Kraft getretene Verschärfung des Geldwäscheparagrafen 261 im Strafgesetzbuch wenig ändern. Denn die beim Zoll angesiedelte Behörde mit dem schicken Namen Financial Intelligence Unit (FIU), die den Kampf gegen Geldwäsche in der Republik anführen soll, schüttet Staatsanwaltschaften und Polizei weiterhin mit überwiegend nutzlosen Verdachtsmeldungen zu. "Sie folgt kaum der Spur des Geldes, sondern der Spur der Täter", sagt Bussmann.

Die aber verliert sich schnell. In den von Bussmann untersuchten Verfahren spielten 90 Prozent der Fälle überwiegend in Deutschland. Komplizierte internationale Transaktionen, die etwa den Wirecard-Skandal ermöglichten, würden kaum verfolgt. "Die Kooperation mit ausländischen Ermittlungsbehörden ist für die Staatsanwaltschaft regelmäßig ein nahezu unüberwindliches Hindernis", sagt Bussmann.

Wie einfach Geldwäsche über Ländergrenzen hinweg funktioniert, haben vor allem Skandale im Umfeld der Deutschen Bank gezeigt. Für diese war der Kampf gegen Geldwäsche lange eine Angelegenheit, die sie lieber Billigheimern überließ.

So sourcte der Finanzkonzern ab 2010 - jenem Jahr, in dem die FATF Deutschland als Problemfall anzählte - Teile seines Risikomanagements ins Berlin Risk Center aus, wo sich Geringverdiener um vermeintlich Lästiges wie Background-Kundenchecks kümmerten. Der Kampf gegen Organisierte Kriminalität war für die Deutsche Bank über Jahre vor allem ein Kostenfaktor, den man möglichst gering halten wollte.

Die laxe Kontrolle brachte weitere Vorteile: Wer Geld legalisieren wollte, wandte sich gern an die Deutsche Bank, die ebenso geschmeidig wie skrupellos daran verdiente. Am sichtbarsten wurde das in der Moskauer Niederlassung des Konzerns. Mindestens 10 Milliarden, vielleicht sogar 16 Milliarden Dollar zweifelhafter Herkunft wurden dort gewaschen.

Deutsche Bank: Mindestens zehn Milliarden Dollar zweifelhafter Herkunft hat der Finanzkonzern über seine Niederlassung in Moskau gewaschen. Vorstandschef Sewing war damals Leiter der Revision, prüfte die Deals und hatte nichts zu beanstanden.
Foto: Daniel Hofer / laif

Das gelang über sogenannte Spiegelgeschäfte, simple Aktiendeals, mit denen Gelder dubioser Herkunft aus Russland in den Westen transferiert und in den legalen Geldkreislauf geschleust wurden. Dafür musste ein Kontoinhaber lediglich die Bank anweisen, Aktien eines Unternehmens an der Moskauer Börse für einen Rubelbetrag zu kaufen und sofort anderswo, meist in London, wieder zu verkaufen. Der Erlös wurde in westlicher Währung kassiert, vor allem in Dollar.

Dass sie dabei stets stattliche Bearbeitungsgebühren zahlten und zuweilen Kursverluste hinnehmen mussten, war den Auftraggebern egal. Hauptsache, aus Rubeln wurden Dollar, Euro oder Pfund Sterling. Und auf lästige Fragen, etwa womit die Kunden ihr Geld verdient hatten, verzichtete die Deutsche Bank gern. Russland war ein fruchtbarer Acker für die Dealmaker der großen Finanzkonzerne.

Jahrelang ging das so - und dass die Deutsche Bank niemandem auffiel, lässt sich nicht behaupten. Im Frühjahr 2014 wandten sich nacheinander die zyprische Hellenic Bank und Russlands Zentralbank an den Moskauableger der Frankfurter und wiesen auf verdächtige Aktiendeals einer Firma aus dem karibischen Steuerparadies Dominica hin.

Prüfbericht des Bundesrechnungshofs (Ausriss): Durchschnittlich alle 200 Jahre kontrolliert
Foto: Screenshot / Bericht des Bundesrechnungshofes

Die Revisionsabteilung der Bank, die damals von Christian Sewing, dem heutigen Vorstandschef, geleitet wurde, stellte den Moskauer Kollegen nach einer Routineprüfung dennoch ein einwandfreies Zeugnis aus. Die später beauftragten Wirtschaftsprüfer von Deloitte bescheinigten der Bank dagegen das Versagen interner Kontrollmechanismen, vor allem in der Königsdisziplin Kundenprüfung. Die britische Finanzmarktaufsichtsbehörde warf der Deutschen Bank sogar noch im März 2016 "ernsthafte und systemische Fehler" in Sachen Geldwäsche und Terrorfinanzierungskontrolle vor.

Aber selbst wenn Geldinstitute den Vorschriften folgen und verdächtige Transaktionen an die zuständige FIU des Zolls melden, ist der Erfolg, wie Bussmann gezeigt hat, überaus selten. Die vermeintliche Spezialeinheit gilt Experten als gewaltiger Flop.

"Das deutsche Antigeldwäschesystem für Banken ist kompliziert und bürokratisch", sagt Achim von Engel von der Staatsanwaltschaft München I. Der Oberstaatsanwalt hat etliche Geldwäschefälle bearbeitet. Einen seltenen Erfolg erzielte er im Frühjahr 2019, als er einen Teil jenes russischen Waschsalons trockenlegte, in dem sich auch die Deutsche Bank getummelt hatte.

Achim von Engel, Oberstaatsanwalt in München: "Je größer die Bank, desto mehr Verdachtsmeldungen und Schrott."
Foto: Sven Hoppe/ dpa

Engel und Spezialisten des Bundeskriminalamts (BKA) waren den Geldwäschern jedoch nicht mithilfe der FIU auf die Schliche gekommen, sondern weil sie ihnen als Zigarettenschmuggler aufgefallen waren. Als die Gangster in München überteuerte Immobilien kauften, schlugen die Ermittler zu und stießen auf das Ende einer langen Betrugskette, die von Russland über die Kanalinseln, moldawische Insolvenzrichter und eine lettische Bank schließlich nach München führte. 22 Milliarden Dollar sollen über dieses System gewaschen worden sein, Vermögenswerte in einer Höhe von 50 Millionen Euro stellten die Fahnder sicher.

Auch in Berlin, wo die Staatsanwaltschaft im Juli 2018 mehr als 70 Immobilien des kurdisch-arabischen Rammo-Clans beschlagnahmte, kamen die Geldwäschehinweise nicht von Notaren oder Immobilienmaklern, sondern ergaben sich eher zufällig. Ein Hauskauf im Süden des Stadtteils Neukölln geriet im Rahmen einer Mordermittlung in den Blick. Als sie das Telefon eines Verdächtigen abhörten, erfuhren die Beamtinnen und Beamten, dass dessen 19-jähriger Sohn, ein Mann ohne nennenswertes Einkommen, die Immobilie als Strohmann seines Vaters erwerben sollte. In anderen Verfahren führte die Spur des Geldes ebenfalls zu Häusern des Clans, die teils über Mittelsmänner der Rammos im Libanon und in der Türkei gekauft worden waren. Doch an Helfer im Ausland kommen deutsche Behörden kaum heran.

Auch für den Münchner Oberstaatsanwalt Engel war an der deutschen Grenze Schluss. Um die Hintermänner der Geldwäscher belangen zu können, brauchte er Amtshilfe in Russland. Daran hat sich schon mancher deutsche Ermittler die Zähne ausgebissen. Corona, Tiergarten-Mord und die Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny haben es nicht leichter gemacht. Ein massives Problem, so Engel, sei auch die Überregulierung der Geldwäschebekämpfung. Sie berge das Risiko, dass die Fachleute in den Banken die Anforderungen zwar buchstabengetreu, aber uninspiriert erfüllten. Auffällige Muster würden nicht identifiziert und nicht hinterfragt und gemeldet.

Von 144.005 Verdachtsmeldungen, die im vergangenen Jahr bei der FIU eingingen, kamen 97 Prozent aus dem Finanzsektor, die meisten aber hatten wenig Substanz. "Je größer die Bank, desto mehr Verdachtsmeldungen und Schrott", sagt Engel.

Vor diesem Hintergrund klingt die Behauptung von Finanzminister Scholz, die FIU werde "immer schlagkräftiger" und Deutschland künftig "international die höchsten Standards beim Kampf gegen Geldwäsche haben", wie Propaganda aus einem Paralleluniversum.

Selbst im sonst eher diplomatisch gehaltenen Schriftverkehr unter Spitzenbeamten wird die FIU, die in einer ehemaligen Kaserne im Kölner Osten residiert, als "erhebliches Risiko für die innere Sicherheit" bezeichnet. Für die Opposition im Bundestag ist sie gar eine "tickende Zeitbombe".

Im Frühjahr 2020 schickten die Justizministerien von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern Brandbriefe nach Berlin. In den Schreiben übten die Beamten heftige Kritik an der FIU. Sie arbeite immer noch viel zu langsam und zu ineffizient.

Inzwischen will Bayern sogar erreichen, dass die Zolltruppe vollständig abgewickelt wird. Ihre Arbeit habe "zu einer erheblichen Verschlechterung der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung geführt", heißt es in einem Dokument des Münchner Innenministeriums.

Das Bittere am FIU-Debakel ist, dass es ein Absturz mit Ansage war. Als der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2017 die FIU vom BKA zum Zoll verlegte, schlugen viele Fachleute Alarm. Die Ermittler sahen mit Sorge, dass eine in Sachen Organisierte Kriminalität und Terrorismus unerfahrene Verwaltungsbehörde sortiert, welche Hinweise auf Geldwäsche sie an Staatsanwaltschaften und Polizei weiterleitet und welche sie für sich behält.

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Der Systemwechsel im laufenden Betrieb führte, wie befürchtet, zum Totalschaden. Die FIU kämpfte mit Technik und Ausstattung, mit der Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit Meldewegen und Zuständigkeiten. Eigentlich kämpfte sie mit allem, nur nicht gegen Geldwäscher.

Schon bald stauten sich in Köln Zehntausende Hinweise der Banken, darunter heikle Informationen über mögliche Transaktionen von Terroristen. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen Verantwortliche der FIU - wegen Strafvereitelung im Amt. Es ist ein beispielloser Vorgang. Der Verdacht: Tipps zu Geldwäsche sollen nicht rechtzeitig weitergegeben worden sein, sodass 1,7 Millionen Euro aus dubioser Quelle nach Afrika überwiesen wurden, ohne dass jemand einschritt.

Und was die FIU nicht selbst verbockte, erledigte der Föderalismus. Denn Polizei und Justiz sind in Deutschland Ländersache. Brisante Informationen über laufende Verfahren gegen Mafiosi oder andere Schwerverbrecher speichert die Polizei jedes Bundeslandes in eigenen Datenbanken. Die FIU kann bis heute nicht darauf zugreifen, weshalb sie noch nicht einmal weiß, ob gegen einen von der Commerzbank gemeldeten Pizzeriabetreiber aus Sindelfingen bereits ermittelt wird oder nicht.

Der Bundesrechnungshof hielt bereits vor einiger Zeit in einer vertraulichen Analyse fest, dass die "Zugriffsrechte der FIU auf die relevanten Polizei- und Steuerdaten der Behörden des Bundes und der Länder" als "unzureichend" zu betrachten seien. Und weiter: "Die FIU kann deshalb ihren gesetzlichen Auftrag, eingehende Verdachtsmeldungen sachgerecht und effektiv zu analysieren, nicht hinreichend erfüllen."

Es war ein vernichtendes Urteil. Ein leitender Geldwäscheermittler formuliert es noch kürzer und prägnanter: "Die FIU ist blind und taub."

Das sehen die Verantwortlichen in Berlin anders. Die Geldwäscheexperten des Zolls dürften jederzeit Informationen von Bund und Ländern anfordern, sagen sie. Das ist richtig, hilft aber in der Praxis wenig. Denn es setzt voraus, dass die FIU-Leute hellsehen können, dass irgendeine Polizeibehörde gegen besagten Gastronomen aus Sindelfingen vorgeht.

Und wenn, welche? BKA? Ein LKA? Und, falls ja, welches der 16? "Das ist Irrsinn", kritisiert Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. "Nach dem Zufallsprinzip lassen sich Organisierte Kriminalität und Terrorismus nicht wirkungsvoll bekämpfen."

Im Fall Wirecard dauerte es anderthalb Jahre, bis die FIU eine detaillierte Verdachtsmeldung der Commerzbank an die Strafverfolger weiterleitete. Vertreter der Opposition im Untersuchungsausschuss des Bundestags sprachen deshalb von einem "groben Versagen" des Zolls in einem Fall, der sich zu einem der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik ausgewachsen hat.

Doch die FIU scheint gegen Kritik weitgehend immun. "Risikobasierten Ansatz" nennt sie ihre Geldwäschetombola, den sie gesetzlich sogar verankern lassen wollte. Im Kern geht es darum, sich auf die Meldungen zu konzentrieren, von denen die FIU annimmt, sie könnten relevant sein. Der Rest fällt unter den Tisch. Das Bundesinnenministerium verhinderte das Gesetz. Man befürchtete, dass sonst Schlupflöcher für Geldwäscher legalisiert worden wären.

Viele Ermittler haben von der FIU ohnehin die Nase voll. Ein Staatsanwalt bringt es auf den Punkt: "Wir haben das Vertrauen verloren, dass die FIU mehr nutzen kann, als sie Schaden anrichtet."

Manche Fahnder fiebern bereits dem Moment entgegen, in dem die FIU ihnen offenbaren muss, welche Tausende Vorgänge sie abgelegt und nicht weitergegeben hat. Das Verfahren aus Osnabrück wegen Strafvereitelung im Amt könnte nicht das letzte gewesen sein.

Denn inzwischen haben Beamte des Bundesinnenministeriums die Kollegen aus dem Hause Scholz und dem Justizressort zum Jagen getragen. Mit Schreiben vom 10. August informierte Staatssekretär Hans Georg Engelke die Präsidenten des BKA, des Verfassungsschutzes und die Innenministerien der 16 Bundesländer über eine "Verständigung zur künftigen Aufgabenwahrnehmung durch die FIU".

In einem "Analyseprojekt" solle eine "manuelle Komplettauswertung" aller in einem begrenzten Zeitraum "bei der FIU eingegangenen Verdachtsmeldungen" erfolgen. Ziel der Aktion sei es festzustellen, "ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bei der automatischen Analyse Hinweise auf sonstige Straftaten nicht erkannt und damit auch nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurden". Im Klartext: Der "risikobasierte Ansatz" der FIU-Geldwäschelotterie soll offenbar als Unfug entlarvt und entsorgt werden.

Ob es anschließend besser wird, steht dahin. Auch Frank Buckenhofers Zuversicht hat mit den Jahren gelitten. Das Parlament saß noch in Bonn, als der heutige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Zoll die ersten Gespräche darüber führte, dass Deutschland mehr tun müsse im Kampf gegen Geldwäsche. Damals vor 23 Jahren verabredete er mit GdP-Kollegen von Bundesgrenzschutz und Zoll in einem Bistro, die politischen Parteien abzuklappern und nach Verbündeten zu suchen, um strengere Regeln durchzusetzen.

Frank Buckenhofer, Polizeigewerkschafter: "Das Problem ist einfach zu groß, als dass es jemand in Berlin anpacken will."
Foto: Arno Burgi / picture alliance

"In der Folge habe ich unendlich viele Gespräche geführt", sagt Buckenhofer. Sein Fazit ist ernüchternd. Der größten "Ignoranz, Arroganz und Beratungsresistenz" sei er in seiner eigenen Partei begegnet. Buckenhofer ist seit 1985 Mitglied der SPD. Mit Wut erinnert er sich an ein einstündiges Gespräch mit Bundesfinanzminister Scholz 2018, dem er die desolate Lage in aller Ausführlichkeit schilderte. Scholz habe genau zwei Fragen gestellt, sagt Buckenhofer. "Wie war die Anreise? Und: Kaffee oder Cappuccino? Er hätte ja auch einfach mal fragen können: Was schlägst du vor, was wir machen sollen?", findet Buckenhofer.

Auch vom Rest der politisch Verantwortlichen ist der Gewerkschafter merklich frustriert. "Das Problem ist einfach zu groß, als dass es jemand in Berlin anpacken will." Denn ein "Masterplan gegen Geldwäsche", wie ihn sich Buckenhofer vorstellt, würde eine "massive organisatorische Umwandlung in der Behördenlandschaft" bedeuten. Die zersplitterte Geldwäscheaufsicht müsste neu gestaltet, Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaften gehörten besser ausgestattet und die FIU auf Vordermann gebracht.

Buckenhofer träumt von einer schlagkräftigen Finanzpolizei wie in Italien, dafür müssten aber Steuerbehörden, Polizei und Zoll im Kampf gegen Geldwäsche besser vernetzt werden. "Um das durchzusetzen, braucht es eine konzertierte Aktion verschiedener Bundes- und Landesministerien", sagt er.

Und wer daran nach dem zerfaserten Coronakrisenmanagement noch glauben kann, hat wahrlich viel Fantasie. Der Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi, Finanzexperte der Linken, erklärt den mangelnden Elan im Kampf gegen Geldwäsche mit dem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis des Themas. "Maßnahmen gegen Geldwäsche versprechen wenig Applaus der Wähler, sie sind aber mit extrem viel Arbeit verbunden. Der Widerstand bestimmter Lobbygruppen ist mitunter enorm."

De Masi und Buckenhofer fordern schon lange, was der Bundesrechnungshof dem Finanzministerium erst im Dezember noch einmal nachdrücklich empfohlen hat: Bargeldzahlungen ab einer bestimmten Höhe per Gesetz zu verbieten. "Es kann nicht sein, dass ich eine Immobilie mit einer Million Euro in Cash aus dem Rindslederkoffer bezahle", sagt De Masi. In der Immobilienbranche aber ist Bares gern gesehen. Entsprechend groß ist dort der Widerstand, der jedem Politiker entgegenschlägt, der eine Obergrenze fordert.

Und so blieb der Branche eine solche Regelung auch im reformierten Geldwäschegesetz erspart. Dafür erhielt man eine andere Absurdität. Noch immer gibt es Fonds oder Immobiliengesellschaften, von denen keiner weiß, wem sie gehören. Trotzdem können sie in Deutschland so viele Häuser und Grundstücke kaufen, wie sie wollen - egal woher oder von wem das Geld stammt. Dabei hatten die Autoren der Nationalen Risikoanalyse des Bundesfinanzministeriums 2019 den Immobiliensektor als einen der Bereiche identifiziert, die ein hohes Geldwäscherisiko aufweisen.

Bereits 2008 schätzte Roberto Scarpinato, Leitender Oberstaatsanwalt auf Sizilien, die von der Mafia im deutschen Immobiliensektor investierte Summe auf "mehrere Hundert Millionen Euro". Diesen Organisationen ordnen Ermittler in Deutschland etwa 300 Restaurants zu, allein in Baden-Württemberg sollen mehr als 140 Pizzerien, Restaurants und Eisdielen in den Händen der kalabrischen Mafia sein.

Beispiele für Immobilien mit womöglich krimineller Eigentümerstruktur finden sich auch in Berlin zur Genüge. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat in einer Stichprobe von 400 Unternehmen, die in Berlin Immobilien besitzen, die Eigentümer ausfindig zu machen versucht. Nach monatelangen Recherchen in allen verfügbaren Datenbanken zeigte sich: In jedem vierten Fall waren die wirklichen Eigentümer - die wirtschaftlich Berechtigten, wie sie im Juristendeutsch heißen - ebenso anonym, wie es die Herkunft des Geldes war, mit dem die Häuser gekauft worden waren.

Dabei wäre es ein Leichtes, solchen Geldwaschmaschinen den Hahn abzudrehen. Mit einem Gesetz, das Immobiliengeschäfte ohne Offenlegung der wirtschaftlich Berechtigten und ihrer Geldquellen schlicht verbietet. Doch davor hat sich die Bundesregierung immer gedrückt.

Stattdessen preist sie einen neu im Gesetz verankerten "All-Crime-Ansatz" als großen Durchbruch. Bislang war es nur möglich, Geldwäscher strafrechtlich zu verfolgen, wenn die Ermittler nachweisen konnten, dass ihr Geld aus ganz bestimmten Straftaten stammte - darunter Hehlerei, Steuerhinterziehung, Erpressung, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel oder die Unterstützung terroristischer Vereinigungen.

Seit März gilt nun jede kriminelle Aktivität als mögliche Vortat einer Geldwäsche. Was die Regierung als großen Wurf feiere, sei schon seit Jahren international Standard und allein deshalb "ein notwendiger Schritt", sagt der Abgeordnete De Masi.

Viel nützen, da sind sich Juristen und Oppositionspolitiker einig, dürfte die Novelle kaum. Die zu erwartende Flut von Verdachtsmeldungen wird am Ende wegen mangelnder Kapazitäten niemand verwerten können.

Überdies, so der Wirtschaftskriminologe und Regierungsgutachter Bussmann, sei der Katalog der für Geldwäsche relevanten Vortaten schon in der Vergangenheit zunehmend erweitert worden. Gebracht habe das wenig: "Die Zahl der Verurteilungen wegen Geldwäsche stagniert seit Jahren bei ungefähr 1000 Fällen." Und das, obwohl die Zahl der Verdachtsmeldungen zwischen 2014 und 2018 von knapp 26.000 auf 77.000 "quasi explodiert ist", wie Bussmann sagt.

Für wesentlich wirksamer hält er eine Ausweitung der Vermögensabschöpfung. "Das Ziel sollte zumindest die Einziehung illegaler Vermögen sein, insbesondere von Immobilien." Doch genau diesen Weg verbaue das neue Gesetz weitgehend. Bussmanns bitteres Fazit: "Deutschland bleibt ein Schlaraffenland für Geldwäscher." Und in dem blieben vor allem die großen Fische unbehelligt. Zwar gibt es Verfahren wie jenes, in dem ein Verdächtiger gestohlenen Schmuck und Gold im eigenen Hochofen einschmolz - geschätztes Volumen: rund 12,5 Millionen Euro. Es ist ein Fall, den das Finanzministerium offenbar auch der FATF vorlegen will. Repräsentativ ist er nicht. Bei nahezu jedem zweiten der von Bussmann untersuchten Verfahren ging es um weniger als 5000 Euro. "Das hat was von Klassenjustiz", sagt er. "Wir jagen immer noch eher die Eierdiebe und nicht die großen, international operierenden Geldwäscher."

Dass Deutschland die FATF-Prüfung dennoch halbwegs glimpflich überstehen könnte, liegt an einer Personalie, die mit dem Adjektiv absurd nur unzulänglich beschrieben ist. Seit 2015 verantwortet Marcus Pleyer, früher Schäubles Büroleiter, im Finanzministerium die Geldwäschebekämpfung.

Im Juli 2020 wurde der Mann, der das FIU-Desaster an vorderster Stelle zu verantworten hat, zudem Präsident der FATF. Die Personalie gilt Oppositionsvertretern als durchsichtiger Schachzug von Schäuble-Nachfolger Scholz. Von Pleyer an der Spitze der internationalen Prüfer, vermuten sie, erhofften sich Scholz und Konsorten ein glimpflicheres Zeugnis.

Pleyer dementiert. Europa sei mit dem FATF-Vorsitz an der Reihe gewesen, "und wir hatten ihn noch nicht so oft inne wie andere große EU-Länder". Eine Rolle habe wohl auch sein "Einsatz als deutscher Delegationsleiter für Ausgleich und gemeinsam getragene Kompromisse" gespielt. So kümmerte sich Pleyer um das brisante Thema Iran. Die Bundesrepublik sei für ihn tabu, versichert er. "Das FATF-Regelwerk sieht vor, dass ich mit keiner Frage betraut bin, die Deutschlands Prüfung betrifft."

Ob Ausnahmen womöglich auch hier die Regel bestätigen, wird sich zeigen, wenn die Kontrolleure ihren Bericht vorlegen.



Quelle: Geldwäsche: Deutschland, ein Paradies für Geldwäscher - DER SPIEGEL