Dirk Müller-Thederan
Warschau
02.06.2025 - 08:47 Uhr
Karol Nawrocki (42) hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen gewonnen. Demnach kam Nawrocki auf 50,89 Prozent, sein liberaler Gegenkandidat Rafal Trzaskowski auf 49,11 Prozent.
Nawrocki ist parteilos, wurde aber von der nationalistischen PiS-Partei auserkoren. Für PiS-Chef Kaczy?ski war schon am Abend klar: "Wir werden gewinnen, weil wir Recht haben."
Dabei hatte niemand mit einer Wende zugunsten von Nawrocki gerechnet. Vor Wochen lag der PiS-Mann in einer Stichwahl noch viele Prozentpunkte hinter Trzaskowski. Und auch am Wahlabend lag er bis kurz vor Mitternacht zurück. Jetzt der Paukenschlag!
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Dabei bewies der Ex-Boxer Nehmer-Qualitäten, fightete zurück, sagte am Wahlabend laut dem Sender TVN24: "Wir werden gewinnen und Polen retten (...). Wir werden nicht zulassen, dass die Macht von Donald Tusk sich schließt und uns große Träume und Bestrebungen nimmt."
Doch auch Traszkowski gab sich zuversichtlich: "Diese Ergebnisse zeigen, wie unglaublich nah er ist. Die erste wichtigste Aufgabe des Präsidenten wird es sein, all diejenigen zu erreichen, die nicht für mich gestimmt haben", sagte er laut TVN24.
Die Wahlbeteiligung war immens: Rund 72 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Urne -Rekord bei Präsidentschaftwahlen in Polen.
Dabei geht es um sehr viel! Für Polen sowieso, aber auch für die EU und Deutschland. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gewinnt das EU- und Nato-Land Polen an politischem Gewicht. Dazu kommt: Der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, die Sicherheitsfrage stand daher weit oben im Wahlkampf.
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Zwar gibt es durchaus gemeinsame Sichtweisen der beiden Aspiranten auf den Staatsthron (mehr Geld fürs Militär/fünf Prozent des BIP; keine illegalen Einwanderer), aber menschlich wie ideologisch unterschiedlicher könnten Trzaskowski und Nawrocki nicht sein.
Ersterer ist Politvollprofi (seit 2018 Stadtpräsident von Warschau; unterlag 2020 knapp mit 49 zu 51 Prozent dem amtierenden Andrzej Duda - darf nicht mehr antreten). Trzaskowski spricht fünf Sprachen, steht für ein weltoffenes Polen, für Nato und EU, für Frauenrechte & LGBT, für eine Verständigung mit Deutschland.
In der anderen Ecke der frühere Junioren-Boxmeister Nawrocki (Slogan: "Now Rocky"). Zwar hat er seinen Ring "für ein starkes und souveränes Polen, nationale Sicherheit und Wohlstand" bemerkenswert gut bespielt, doch rückten Vorwürfe ihn in ein Licht, die ein Präsident eigentlich nicht in seiner Vita haben sollte:
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Letzteres behauptete gerade die Plattform onet.pl - wogegen Nawrocki klagen will. In Umfragen geschadet hat es ihm nicht.
Nawrocki dürfte als neues Staatsoberhaupt mittels seines Vetorechts die bisherige Blockadepolitik fortsetzen. Er dürfte - wie Duda - als Vollstrecker für den oppositionellen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski (75) fungieren. Auch will Nawrocki die polnischen Reparationsforderungen an Deutschland wieder aufwärmen.
Am 6. August endet die Amtszeit Dudas. Ein Sieg Nawrockis ist ein Signal, dass die PiS im Herbst 2027 bei der nächsten Parlamentswahl wieder an die Regierung kommen könnte (mithilfe von Rechtsaußen) - womit die Ära von Kaczynski fortgesetzt würde.