Nicht die Boomer: Das ist das wahre Problem der deutschen Rente

Von: Pia Seitler

Stand: 05.12.2025, 16:43 Uhr

Was plant die Koalition bei der Rente? In Deutschland bezahlen die Jüngeren mit ihren Beiträgen die Rente der Älteren. Das System könnte kollabieren, mehr Kinder sind kurzfristig jedoch keine Lösung.

Hamburg - Wenn die Rente sicher bleiben soll, braucht es Reformen. Darin sind sich wohl alle einig. Ebenfalls einig sind sich die meisten über den Kern des Problems. Die deutsche Gesellschaft altert, immer weniger Menschen im Job müssen für immer mehr Rentner aufkommen. Oder genauer gesagt: "Die Babyboomer haben nicht genügend Kinder bekommen", sagte die Chefin der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer dem Magazin Focus Money.

Stirbt der Ehepartner oder die Ehepartnerin haben viele Menschen Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente. Doch nicht für alle, fällt diese gleich hoch aus. (Symbolbild)
© IMAGO/Dirk Sattler

Weil die Erwerbstätigen immer höhere Beiträge zahlen müssten, damit die umlagefinanzierte Rentenversicherung funktioniert, suchen Politiker und Wirtschaftswissenschaftler nach Lösungen. Ein paar Beispiele: Länger arbeiten, ein Boomer-Soli, alle Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung oder auch: "Bekommt Kinder". Dazu rief der frühere Ifo-Chef und Ökonom Hans-Werner Sinn Mitte November die junge Generation auf.

Das sei typisch, denn unter konservativen Ökonomen sei man sich seit Jahren einig, dass der Generationenvertrag der Rente scheitert, wenn das Verhältnis von Jung zu Alt kippt, sagt Michael Paetz. Er ist promovierter Volkswirt und Lehrkraft an der Universität Hamburg und sagt gegenüber der Frankfurter Rundschau von Ippen.Media: "Demografie spielt eine Rolle, aber sie ist nicht das zentrale Problem der Rente. Das Hauptproblem ist die Verteilung."

Ökonom über Renten-Problem: "Löhne und Renten haben sich von der Produktivität entkoppelt"

Unsere Produktivität ist stark gestiegen, das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ebenfalls. Seit 1991 hat Deutschland laut Statistischem Bundesamt seine Wirtschaftskraft pro Kopf um 40 Prozent gesteigert. "Der wirtschaftliche Kuchen ist größer geworden. Wir könnten ihn so verteilen, dass Erwerbstätige und Nichterwerbstätige gut davon leben. Stattdessen erhalten Arbeitnehmer und Rentner einen immer kleineren Anteil", erklärt Paetz.

Lange wuchsen Löhne und Renten nahezu im Gleichschritt mit dem BIP pro Kopf. "Bis in die späten 1970er-Jahre hatten wir eine Umverteilung von oben nach unten und kräftige Lohnsteigerungen", erklärt Paetz. Nach den Ölpreiskrisen - und insbesondere mit der Agenda-2010-Politik ab den 2000ern - habe dann der Abbau des Sozialstaats begonnen. Löhne seien zudem nur noch als Kosten betrachtet worden. Er plädiert dafür, sie als Nachfrage zu sehen. Denn wer mehr verdient, kann auch mehr ausgeben "Gewerkschaften wurden dazu gedrängt, mäßige Lohnsteigerungen zu akzeptieren, um Arbeitsplätze zu sichern. So haben sich Löhne und Renten von der Produktivität entkoppelt", sagt Paetz.

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Mehr Kinder wären gesellschaftlich wünschenswert, aber sie seien keine kurzfristige Lösung für die Renten oder die aktuelle Belastung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Denn: Volkswirtschaftlich verursachten Kinder zunächst Kosten, da zum Beispiel Investitionen in Kitas und Schulen benötigt würden. Erst Jahrzehnte später würden sie zum Arbeitsmarkt beitragen, so Paetz gegenüber der Frankfurter Rundschau.

Aus seiner Sicht wäre es sinnvoll, Löhne und Renten wieder näher an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu koppeln. Das würde nicht nur Arbeitnehmern und Rentnern zugutekommen, sondern auch Unternehmen, da höhere Einkommen die Nachfrage stützen. Denkbar wäre zudem, einzelne Rentenreformen der vergangenen Jahrzehnte zu überprüfen und das Rentenniveau in der Umlage wieder anzuheben.

"Weil sich frühere Entscheidungen nicht rückgängig machen lassen, ist kurzfristig eine stärkere Umverteilung erforderlich, um Altersarmut zu begrenzen", sagt der Volkswirt. Eine "höhere Besteuerung sehr hoher Einkommen oder Vermögen" wäre dabei ein möglicher Ansatz, um die finanziellen Lasten breiter und fairer zu verteilen, findet er. (Quellen: eigene Recherche)


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