"Kriminelle Plünderung von Steuermitteln" Nutzen türkische Migranten Rückkehrhilfen aus? Jetzt erhärtet sich böser Verdacht Nutzen türkische Migranten Rückkehrhilfen aus? Jetzt erhärtet sich böser Verdacht

FOCUS-online-Autorin Anaïs-Sophie Bockholt

Mittwoch, 29.05.2024, 18:26

Freiwillige Ausreise statt Abschiebung: Die Bundesregierung setzt auf finanzielle Anreize für Migranten, die zurück in ihr Heimatland kehren. Doch das System wird offenbar ausgenutzt.

Mehrere Tausend Euro in bar, Sachleistungen und finanzielle Unterstützung bis zu 12 Monate: Die Rückkehrhilfe der Bundesregierung soll für Migranten einen Anreiz darstellen, freiwillig in ihr Heimatland zurückzukehren.

"Seit mehr als 45 Jahren unterstützt das REAG-Programm Menschen bei der freiwilligen Rückkehr in ihr Herkunftsland und begleitet sie bei einem Neubeginn vor Ort", heißt es dazu auf der Webseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Missbrauch von Steuergeldern durch türkische Migranten?

Doch dieses System wird offenbar missbraucht: Laut Recherchen der "Welt am Sonntag" scheinen vor allem türkische Staatsbürger gezielt nach Deutschland einzureisen, um finanzielle Rückkehrhilfen zu erhalten.

Demnach liegen dem BAMF Hinweise vor, dass sich Menschen aus der Türkei, die in Deutschland eine Asylabsicht bekunden, schon kurz nach ihrer Ankunft über geförderte Ausreisen beraten lassen - manchmal sogar nur wenige Tage nach ihrer Einreise oder ohne ein offizielles Schutzgesuch gestellt zu haben.

Die Personen sind laut dem Bericht auffällig gut über die Fördermöglichkeiten informiert, würden diese regelrecht einfordern. Im Fokus stehe dabei das REAG/GARP-Programm, ein von Bund und Ländern finanziertes Hilfsprogramm zur freiwilligen Rückkehr.

Zahl der geförderten türkischen Staatsbürger angestiegen

Das Programm richtet sich an Flüchtlinge, abgelehnte Asylbewerber und ausreisepflichtige Ausländer, aber auch an Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Die Zahl der türkischen Staatsbürger, die über dieses Programm gefördert ausreisen, ist laut "Welt am Sonntag" in den vergangenen zwei Jahren stark angestiegen: von 226 im Jahr 2022 auf rund 1616 im Jahr 2023.

Im laufenden Jahr waren es bisher 586 (Stand: Januar bis April), teilte eine Sprecherin des BAMF dem Portal mit. 2023 verließen fast die Hälfte der Rückkehrer (48,5 Prozent) Deutschland innerhalb von nur sechs Monaten nach ihrer Einreise. Derzeit liegt dieser Anteil bei etwa 42,7 Prozent.

Immer mehr Türken wollen nach Deutschland

Ob es sich bei den Verdachtsfällen allerdings wirklich um Betrug im großen Stil handelt, bleibt unklar. Laut "Welt am Sonntag" sei die zuständige Senatsverwaltung in Berlin die einzige Stelle, die konkrete Zahlen zum mutmaßlichen Missbrauch vorgelegt habe.

Demnach seien im Jahr 2023 in 17 Fällen offensichtliche Missbräuche von türkischen Staatsbürgern festgestellt worden- im Vergleich zu 106 geförderten Ausreisen. Im laufenden Jahr wurden bisher fünf Fälle gemeldet.

Durch die extrem hohe Inflation und die turbulente Wirtschaftssituation in der Türkei beantragen immer mehr türkische Staatsbürger Asyl in Deutschland.

In den ersten drei Monaten des Jahres 2024 haben rund 9689 Menschen aus der Türkei einen Erstantrag auf Asyl gestellt. Damit liegt das Land in der Zuwanderungsstatistik auf Platz drei- nur knapp hinter Afghanistan (9772 Erstanträge) und dem Spitzenreiter Syrien (19.687 Erstanträge).

Union kritisiert "kriminelle Plünderung von Steuermitteln"

Finanzielle Anreize für die freiwillige Ausreise machen auf den ersten Blick Sinn - immerhin ist die Unterbringung und Versorgung von Migranten und Flüchtlingen wesentlich teurer. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn dieses System unterwandert wird.

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bezeichnete den Missbrauch von Rückkehrförderungen in der "Welt am Sonntag" als "kriminelle Plünderung von Steuermitteln". Das BAMF solle entschlossen handeln und bei Bedarf strafrechtliche Schritte einleiten.

Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Hartmann, äußerte sich kritisch zu dem Fall: "Wir nehmen jeden Hinweis zu missbräuchlichen Inanspruchnahmen von Finanzhilfen für die freiwillige Rückkehr durch Migranten ernst." Die Rückkehrberatungen seien sensibilisiert und gingen entsprechenden Verdachtsmomenten nach, so Hartmann.


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