20.10.2025 - 07:15 Uhr
Foto: Marcus Prell
Immer wieder berichten Medien deutschlandweit über den Problem-Block von Göttingen (Niedersachsen). Als BILD Ende August vor Ort war, bot sich ein unfassbares Bild: eingetretene Türen, kaputte Fahrstühle, Müllberge, die sich im Hof und auf den Fluren türmen. Ein Video zeigt Bewohner, die aus ihrem Küchenfenster Ratten angeln.
Foto: Marcus Prell
Foto: Coeles Group
Doch diese Abtretungserklärung kann jeder Mieter einseitig widerrufen - und viele tun das auch. "Dann ist das Amt verpflichtet, den Mietbetrag aufs Konto des Mieters zu überweisen", sagt Fesser. Es ist eine Einladung zum Sozialbetrug. "Nicht selten verprassen die Empfänger dieses Geld, ohne es an den Vermieter weiterzuleiten."
Der Landkreis Göttingen bestätigt diese Vorgehensweise: "Generell besteht zwischen dem Jobcenter und dem Vermieter kein Vertragsverhältnis. Bürgergeldleistungen für Unterkunft und Heizung können auf Antrag des leistungsberechtigten Mieters direkt an den Vermieter überwiesen werden. Es steht dem Mieter grundsätzlich frei, eine solche Einwilligung auch mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen."
Nach Einschätzung des Geschäftsführers der Hausverwaltung "Coeles Group", Dominik Fricke (30), wenden bereits ein Viertel der Mieter diesen Trick an. Fricke verwaltet 316 Wohnungen in dem Haus, etwa die Hälfte davon steht leer. "Von 161 Mietern haben 145 Mietschulden", sagt Fricke. "Schätzungsweise 40 davon kassieren Mietgeld vom Jobcenter, leiten es aber nicht weiter. Allein aus den letzten beiden Jahren stehen 854.551,53 Euro unbezahlte Mieten aus."
Doch damit nicht genug. Wenn die Mieter mit ihren Zahlungen mehrere Monate im Rückstand sind, sodass die Räumung droht, gehen sie laut Fesser wieder zum Amt: "Meist bekommen sie dann ein zinsloses Darlehen, um die Mietschulden zu tilgen und nicht wohnungslos zu werden. Sie kassieren also doppelt."
Tatsächlich gewährt die Behörde lieber ein Darlehen, schießt also Geld nach, als die Mieter auf die Straße setzen zu lassen. Denn neue, günstige Unterkünfte für Bürgergeldempfänger sind nur schwer zu finden. Das Jobcenter räumt ein: "Bestehen Mietschulden, können diese unter gewissen Voraussetzungen zur Abwendung einer drohenden Wohnungslosigkeit als Darlehen übernommen werden."
Der Betrug am Sozialstaat wird da offenbar in Kauf genommen.