Deutsche Staatsbürgeschaft Höchster Stand seit 25 Jahren - Zahl der Einbürgerungen steigt auf über 200.000

Stand: 28.05.2024 | Lesedauer: 6 Minuten

Von Marcel LeubecherPolitikredakteur

Deutschland meldet einen rasanten Anstieg der Einbürgerungen. Ein Herkunftsstaat liegt dabei mit weitem Abstand vorn. Die Union sieht den kräftigen Zuwachs als Beleg dafür, dass die Ampel beim Staatsbürgerschaftsrecht "völlig falsch abgebogen" sei.

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Die Einbürgerungen in Deutschland sind im Jahr 2023 noch einmal kräftig angestiegen. Mit 200.095 waren es rund 19 Prozent mehr als 2022, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Die mit Abstand größte Gruppe der Eingebürgerten waren 75.485 Syrer. Dahinter folgen der in der langfristigen Betrachtung wichtigste Herkunftsstaat von in der Bundesrepublik Eingebürgerten, die Türkei, mit 10.735 Passvergaben im Jahr 2023 sowie der Irak mit 10.710.

Auch viele Rumänen (7575), Afghanen (6520), Iraner (6420), Ukrainer (5910) und Polen (5440) erhielten demnach die deutsche Staatsangehörigkeit. Die stärksten Anstiege im Vergleich zum Jahr 2022 waren bei Irakern festzustellen - ein Plus nämlich von 57 Prozent. Bei Syrern wurde ein Zuwachs um 56 Prozent verzeichnet, bei Afghanen um 55 Prozent und bei Iranern um 34 Prozent. Aus diesen Staaten wandern seit dem vorigen Jahrzehnt viele Flüchtlinge nach Deutschland zu.

Laut Destatis steht die hohe Zahl der Einbürgerungen von Syrern - sie machten mehr als ein Drittel (38 Prozent) der Einbürgerungen aus - in Zusammenhang mit der hohen Zuwanderung von syrischen Schutzsuchenden seit 2014. Diese erfüllen mittlerweile vermehrt die Voraussetzungen für eine Einbürgerung, unter anderem im Hinblick auf Sprachkenntnisse und Mindestaufenthaltsdauer. Ehegatten und minderjährige Kinder können auch ohne Mindestaufenthaltsdauer mit eingebürgert werden. Dies betraf im vergangenen Berichtsjahr rund 28.000 der eingebürgerten Syrer, wie das Statistische Bundesamt erläutert.

Syrische Staatsangehörige, die im Jahr 2023 den deutschen Pass erhielten, waren im Schnitt 24,5 Jahre alt, 64 Prozent von ihnen waren Männer. Vor ihrer Einbürgerung hielten sie sich im Schnitt 6,8 Jahre in Deutschland auf, so Destatis.

Mit den rund 200.000 Einbürgerungen wurde im Jahr 2023 der höchste Wert seit dem Jahr 1999 verzeichnet. Zwischen 1994 und 1999 hatten die Einbürgerungszahlen einen historischen Höchststand erreicht und lagen noch über dem heutigen Niveau. Hauptfaktor war damals die Passvergabe an Spätaussiedler aus Osteuropa. Neben dem Rückgang der Einwanderung von sogenannten Russlanddeutschen war die große Reform des Staatsangehörigkeitsrechts unter Rot-Grün für die sinkenden Einbürgerungen ursächlich. Denn seit Inkrafttreten der Reform Anfang 2000 mussten weniger Kinder von Ausländern ihre Einbürgerung beantragen, weil sie schon ab Geburt den deutschen Pass bekamen.

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Bis zur Jahrtausendwende wurde deutscher Staatsbürger ab Geburt nur, wer mindestens einen deutschen Elternteil hatte. Nach diesem am Abstammungsprinzip (ius sanguinis) orientierten Staatsbürgerschaftsmodell bekamen Kinder ohne mindestens einen deutschen Elternteil erst einmal keinen deutschen Pass. Zum 1. Januar 2000 wurde das alte Abstammungsprinzip um das neue Geburtsortprinzip (ius soli) erweitert. Seither erhalten auch in Deutschland geborene Kinder von zwei Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit ohne Einbürgerung - falls mindestens ein Elternteil schon seit acht Jahren im Land lebt.

Dies betrifft seither ungefähr 40.000 Neugeborene pro Jahr. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden "von 1992 bis 1999 jährlich etwa um die 100.000 Kinder mit (ausschließlich) ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland geboren". Nach der Einführung des Ius-soli-Prinzips habe "sich die Zahl der in Deutschland geborenen Kinder mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit im Jahr 2000 im Vergleich zum Vorjahr fast halbiert".

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Die Zahl der von ausländischen Eltern geborenen Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit habe "im Jahr der Einführung (2000) der Ius-soli-Regelung 41.257" betragen. 2022 seien "in Deutschland 35.657 Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren" worden, "die zwei ausländische Elternteile hatten". Insgesamt haben demnach "bis einschließlich 2022 rund 802.000 Kinder, die seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von ausländischen Eltern in Deutschland geboren wurden, die deutsche Staatsangehörigkeit".

Wie das Statistische Bundesamt erläutert, war eine Einbürgerung nach dem im Berichtsjahr 2023 gültigen Staatsangehörigkeitsrecht in der Regel nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich. Diese Dauer konnte auf sieben beziehungsweise sechs Jahre bei besonderen Integrationsleistungen auf Grundlage von Paragraf 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes verkürzt werden. Für Familienmitglieder von Eingebürgerten waren ebenfalls frühere Einbürgerungen möglich.

Das neue Staatsangehörigkeitsrecht der Ampel-Regierung spielte bei dem Anstieg auf 200.000 Einbürgerungen 2023 noch keine Rolle. Die neuen Bestimmungen, mit denen Einwanderer schneller einen Rechtsanspruch auf den deutschen Pass erhalten können, treten erst am 27. Juni dieses Jahres in Kraft. Durch die Absenkung der Voraufenthaltsfrist von acht auf fünf Jahre sowie für besonders gut Integrierte von sechs auf drei Jahre erwarten die Ausländerbehörden einen weiteren Einbürgerungsschub. Ebenso durch den generellen Verzicht auf das Ablegen der ursprünglichen Staatsangehörigkeit oder durch gesenkte Sprachanforderungen für alte Einbürgerungsbewerber.

"CDU und CSU werden die Reform rückgängig machen"

Für Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, ist "die Ampel mit ihrer Staatsbürgerschaftsreform völlig falsch abgebogen". Die Einbürgerungsstatistik 2023 zeige, dass Deutschland eine der begehrtesten Staatsbürgerschaften der Welt habe, nicht nur wegen des starken Reisepasses. Damit meint Throm, dass Deutsche in besonders viele Staaten visumfrei einreisen dürfen.

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"Es gab überhaupt keinen Grund, die Hürden für die Einbürgerung zu senken - außer vielleicht die Hoffnung, bei der nächsten Bundestagswahl ein paar mehr dankbare Wähler zu haben", sagt Throm. "CDU und CSU werden diese misslungene Reform rückgängig machen. Eine Einbürgerung nach fünf oder gar drei Jahren kann nicht die Regel sein: Der Pass muss am Ende einer gelungenen Integration stehen, nicht zwischendrin."

Nach so kurzer Zeit könne nicht sicher festgestellt werden, ob die Integration nachhaltig gelungen ist. Damit steige das Risiko, dass Personen eingebürgert würden, die nicht ausreichend integriert seien. "Die jüngsten Kalifat-Demos, vielfach auch von Personen mit deutschem Pass, müssen ein Weckruf für uns alle sein. Und die Sprachanforderungen müssen auch für Einwanderer gelten, die vor Jahrzehnten als Gastarbeiter in unser Land kamen."

Die doppelte Staatsbürgerschaft müsse die Ausnahme bleiben, so Throm. "Wer Deutscher sein will, muss sich zu unseren Werten, Grundsätzen, ja überhaupt zur deutschen Leitkultur bekennen. Das erwarten wir. Und dazu gehört auch ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels."

Laut dem Juristen Johann Riemenschneider, der den Innenausschuss des Bundestags als Sachverständiger für die Staatsangehörigkeitsreform beriet, ist der Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit leichter als in vielen anderen Staaten. "Die oft als besonders offen dargestellten Einwanderungsländer USA, Kanada, Australien regeln Einbürgerung ebenso wie fast alle anderen Staaten über Ermessensentscheidungen", sagte er im Januar WELT AM SONNTAG. In Deutschland werde hingegen weit überwiegend über Rechtsansprüche eingebürgert. Mit der Senkung der Frist für die Anspruchseinbürgerung auf fünf Jahre und für besonders gut Integrierte auf drei Jahre sei "Deutschland nun auch sehr schnell im internationalen Vergleich".

Auf Schnelleinbürgerung hat einen Anspruch, wer neben den harten Kriterien, also Beherrschung des hohen Sprachniveaus C1 sowie Straffreiheit auch eine besonders gute Integration nachweist. Diese kann durch berufliche Leistungen oder soziales Engagement belegt werden. "Wer beispielsweise einen normalen Job hat, also unbefristeter Vollzeit-Taxifahrer ist, aber nebenher noch eine Fußballmannschaft trainiert", erklärte Riemenschneider, "hat nach drei Jahren Anspruch auf Einbürgerung, falls er das hohe Sprachniveau beherrscht."


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