Das Kirchenasyl ist verlogen und sollte vom Staat ignoriert werden

Fatina Keilani

19.06.2025, 18.00 Uhr

Es ist nicht unbarmherzig, Migranten in ein anderes EU-Land abzuschieben. Speziell die Kirchen haben zudem allzu durchsichtige eigene Interessen.

Für das Kirchenasyl gibt es keine rechtliche Grundlage.
Martin Lengemann / Welt / Ullstein

Die Kirche solle kein Zufluchtsort vor weltlicher Gerechtigkeit sein, befand der späte Martin Luther. Genau das ist sie aber heute wieder, mit steigenden Zahlen. Im vergangenen Jahr erhielten deutlich mehr Migranten in Deutschland Kirchenasyl als zuvor. 2386 Fälle waren es laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, gut 300 mehr als im Vorjahr.

Zu ihrer eigenen moralischen Erhöhung stellen die Kirchen dabei "Barmherzigkeit" gegen geltendes Recht. Dabei gibt es diesen Gegensatz nicht. Wenn der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein mit Blick auf das Kirchenasyl von einem "Dienst für die Gesellschaft" spricht, die auf diese Weise "an ihr Fundament der Barmherzigkeit erinnert" werde, dann liegt er völlig daneben.

Als ob es unbarmherzig wäre, jemanden auf das sichere Drittland zu verweisen, das er in der EU zuerst erreicht hat. Denn darum geht es.

Die Kirchen haben Interessen

Ins Blickfeld rückte das Kirchenasyl kürzlich wegen dreier Somalier, die aus Polen kommend hinter der deutschen Grenze zurückgewiesen worden waren und sich mithilfe der NGO "Pro Asyl" ins deutsche System klagten. Das Verwaltungsgericht Berlin gewährte ihnen Anspruch auf eine Prüfung nach dem Dublin-Verfahren. Das ist noch kein Asylverfahren, sondern nur die Klärung der Frage, wer für die drei Migranten zuständig ist.

Doch nun kann das Trio nicht abgeschoben werden, weil eine evangelische Kirchengemeinde in Berlin ihnen "Asyl" gewährt - dabei droht ihnen schlimmstenfalls bloss die Abschiebung in ein anderes EU-Land. Das ist kein "Härtefall". Der naheliegende Verdacht: Gesucht wird nicht Schutz, sondern das freundlichste Sozialsystem.

Die Kirchen haben zudem Interessen. Unter dem Mantel christlicher Nächstenliebe verwalten die kirchlichen Sozialorganisationen Milliarden an öffentlichen Mitteln - für Aufgaben, die der Staat auslagert, aber finanziert. Die Sozialwirtschaft insgesamt ist komplett staatlich alimentiert - sie funktioniert wie ein ausgelagerter Behördenapparat mit caritativer Fassade.

Wer Alten den Heimplatz kündigt, sollte von Barmherzigkeit schweigen

Ein evangelischer Träger ging sogar so weit, Betagten den Heimplatz zu kündigen, um Flüchtlinge unterzubringen. Diese sind lukrativer und erfordern viel weniger Personalaufwand und Dokumentationspflichten. Die beschworene Barmherzigkeit schien hier allerdings gerade nicht das Handeln zu leiten.

Es gibt für das Kirchenasyl keine rechtliche Grundlage; der Staat könnte - theoretisch - durchgreifen und die Abschiebung trotzdem vollziehen. Davor schreckt er jedoch zurück. Zudem gibt es seit zehn Jahren eine Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Wenn die Kirchen ihre Fälle von "Kirchenasyl" melden, prüft das Bamf die Fälle erneut unter Härtefall-Aspekten. Die AfD forderte erst jüngst, diese Vereinbarung zu beenden. Das Grundrecht auf Asyl gewähre allein der Staat. Das ist richtig.

Zehn Jahre nach Angela Merkels "Wir schaffen das" sollte die Vereinbarung beendet werden. Es hätte sie gar nicht geben sollen. Das Kirchenasyl ist verlogen, hat mit Barmherzigkeit nichts zu tun und schützt zurzeit die Falschen.


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